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Arme Ärzte Sketch in einem Akt

von Sofie Meys

 

 

Einleitung:
Es ist früh am Morgen.
Dr. Sorgenreich ist auf dem Weg zu seiner Arztpraxis. Wegen der allgemein angespannten finanziellen Lage, unter der immer mehr Ärzte leiden, war er gezwungen, gestern seine letzte festangestellte Arzthelferin zu entlassen.
Er ist sich sicher, hätte er nur mehr Privatpatienten, sähe alles ganz anders aus. Was soll er tun, damit sich diese in seiner Praxis besonders wohl fühlen?
Würde er es – in seiner derzeitigen prekären Lage- überhaupt schaffen, den Praxisbetrieb – ohne eine einzige professionelle Arzthelferin -  aufrecht zu erhalten?

 

 

Dr. Sorgenreich betritt seine Praxis und macht Licht.
Ein wenig orientierungslos begibt er sich hinter die Theke seiner Anmeldung.
Nervös kratzt er sich am Kinn, weiß nicht so Recht, wie er sich bei all’ den Geräten und den vielen Knöpfen zurechtfinden soll.
Er betrachtet seine  ‚hypermoderne’ Telefonanlage und drückt verunsichert einen Knopf.

Stimme am anderen Ende der Leitung:
 „Guten Morgen Schnuckimaus!“

Dr.Sorgenreich (entgeistert): „Wa-wa-was fällt Ihnen ein?“

Hektisch drückt er einen anderen Knopf.

Stimme am anderen Ende der Leitung:
„Hier Pizza-Service ‚Mucho – bene – benissimo’, Ciao, Bella, deine Bestellung bitte!“

Dr. Sorgenreich fängt an zu fluchen und drückt dabei wie wild auf alle möglichen Knöpfe der Telefonanlage.

Dr. Sorgenreich (verärgert):
„Wieso hat mir nie jemand erklärt, wie man diese verfluchte Anlage bedient.“

Eine Frauenstimme in der Leitung:
„Hier ist die Auskunft 11- 99- 6 – 6 – 6 , kann ich Ihnen weiterhelfen?“

Dr. Sorgenreich (erleichtert aufatmend):
„Jaaaaa-, bitte, verbinden Sie mich mit der Arbeitsvermittlung.“

Er wartet einen Augenblick.

Dr. Sorgenreich (förmlich in den Hörer flehend):
„Bitte schicken sie mir so schnell wie möglich jemanden her. Ja, ... als Aushilfe... für die Praxis, jaa.. bitte, es ist dringend. Dr. Sorgenreich, Marodisstr. 12.“

Er knallt den Hörer auf und lässt sich erschöpft auf einen Stuhl sinken. Doch just in diesem Moment schellt es entsetzlich laut an der Tür und Dr. Sorgenreich springt erschrocken auf.
Er drückt wieder auf einige Knöpfe, macht dabei das Radio an und wieder aus, ein Deckenventilator beginnt sich zu drehen und im WC springt geräuschvoll die Lüftung an ...bis er endlich den Knopf für den automatischen Türöffner findet.
Ein Summton ertönt und schon öffnet sich die Praxistür.
Ein etwa 55-jähriger untersetzter Herr betritt die Praxis. Er ist etwas unordentlich gekleidet, geht stark gekrümmt und nach vorne gebeugt. Er macht  einen niedergeschlagenen Eindruck. Als er Dr. Sorgenreich erblickt, hellt sich sein Blick ein wenig auf.

Patient 1:
„Oh - Guten Morgen Herr Doktor. Wie gut, dass ich Sie gleich treffe. Wenn Sie wüssten, was ich mitgemacht habe heute Nacht. Kein Auge zugetan habe ich.“

 Er greift sich mit der Hand an seinen Rücken.

Patient 1 (stöhnend): „Ohhh, diese Schmerzen!“

Dr. Sorgenreich (gereizt):
„Ja, schon gut, ich nehm’ Sie gleich dran. Kleinen Moment noch.“

Dr. Sorgenreich versucht den Computer zu starten. In dem Moment knallt es an der Decke, Funken sprühen und in der Anmeldung der Praxis wird es stockdunkel.
Dr. Sorgenreich flucht laut und sucht im Dunkeln verzweifelt nach Ersatzbirnen.

Patient 1 schaltet eine Taschenlampe an, die er aus seiner Jackentasche gezogen hat und leuchtet damit dem Doktor direkt ins Gesicht, der  hinter der Anmeldung nach den Birnen gesucht hatte und gerade wieder mit seinem Kopf über der Theke der Anmeldung erscheint.

Dr. Sorgenreich (erschrocken):
„Wuaaahh!“

Patient 1 (sich etwas mehr aufrichtend, grinsend und ein wenig stolz auf seine Taschenlampe zeigend):
„Hab’ ich immer dabei. Für Notfälle –
So, nun machen’se sich mal keine Sorgen, Herr Doktor. Das kriegen wir schon wieder hin.“

Schon wieder schellt es an der Praxistür. Dr. Sorgenreich drückt auf.
Eine fein gekleidete, etwa 45-jährige blonde Frau, heftig niesend und in ein Taschentuch schnaubend,  betritt die Praxis und erschrickt heftig, als Patient 1 ihr mit der Taschenlampe ins Gesicht leuchtet.

Patientin 2 (empört):
„Ja, was ist denn  hier los?“

Patient 1 begibt sich , immer noch gebeugt laufend und sich den schmerzenden Rücken haltend, in einen Nebenraum.

Patientin 2 und Dr. Sorgenreich stehen im Dunkeln.

Dr. Sorgenreich (sichtlich nervös, sich um Fassung bemühend):
„Ja, ähhm, also, es ist so, die Anmeldung ist heute leider nicht besetzt. Das Licht, ähm, also das defekte Lichtsystem vielmehr... wird gerade repariert, wie Sie sehen.“

Patient 1 (mit eingeschalteter Taschenlampe!) kommt  mit einer Leiter aus einem Nebenraum und stellt diese mitten im Raum auf.

Es schellt schon wieder an der Tür.
Dr. Sorgenreich drückt sichtlich gestresst auf. Hereingestürmt kommt eine junge dunkelhaarige Frau.

Patientin 3 (verzweifelt).
„Eine Toilette, wo ist eine Toilette?“

Patientin 2 (in trockenem Tonfall):
„2.Tür rechts! Steht doch drauf“

Patient 1 leuchtet mit seiner Taschenlampe von der Leiter aus auf die Toilettentür, damit sich Patientin 3 besser orientieren kann.

Patientin 3 verschwindet in der Toilette.

Dr. Sorgenreich lässt sich erschöpft auf einen Stuhl fallen.

Dr. Sorgenreich (völlig überfordert):
„Nein, das geht so nicht, wo bleibt denn diese Aushilfe? Ich bin am Ende. Erledigt. So geht es nicht weiter.“

Er greift sich mit beiden Händen an den Kopf.

Patientin 2 schnaubt sich ihre Nase.
Das Licht geht plötzlich wieder an.
Patient 1 steht sichtlich mit sich und seiner Leistung zufrieden auf der Leiter und schraubt weiter an der Deckenbeleuchtung.

Patientin 2 (in einem resoluten Tonfall):
„Ach, das kann ich ja nicht mehr mit ansehen. Zeigen’se mal. Das kann doch nicht so kompliziert sein.“

Sie geht um die Anmeldung herum und steht nun neben dem Doktor hinter der Theke der Anmeldung.

Patientin 2 (fröhlich):
„Na, also, hier ist doch alles, was man braucht. Papier, Kugelschreiber, Computer. Prima, alles bestens. Für ein paar Stunden kann ich sicher aushelfen, wenn Sie nichts dagegen haben.“

Dr. Sorgenreich (erleichtert):
„Aber nein, ganz im Gegenteil. Bitte, machen Sie nur.“

Die Toilettentür geht auf. Patientin 3 kommt mit hochgezogenen Schultern heraus.

Patientin 3 (schüchtern und kleinlaut):

„Die Toilette....- ähm ... ich glaube, ähm.. ich ...denke. Sie ist verstopft.“

Dr. Sorgenreich (verärgert):
„Nein, auch das noch!“

Dr. Sorgenreich (vorwurfsvoll):
„Hätten Sie nicht besser aufpassen können!“

Patient 1 schaltet sich ein.

Patient1 (beschwichtigend zu Dr. Sorgenreich und dann  zu Patientin 3 gewandt):

„Na, lassen’se  mich das mal machen. Das ham’wer doch schnell wieder frei.“

Patient 1 verschwindet, inzwischen wieder beinahe aufrecht laufend,  in der Toilette.

Patientin 2 holt mit grimmiger Mine einen Putzeimer und einen Lappen hinter der Anmeldung hervor und reicht sie Patientin 3.

Patientin 2:
„So! Und sie putzen den ganzen Schlamassel wieder auf, wenn er  fertig ist.“

Sie deutet mit dem Kinn zur Toilettentür und Patientin 3 gehorcht kleinlaut, indem sie ebenfalls in der Toilette verschwindet.

Patientin 2 (zu Dr. Sorgenreich gewandt und in mütterlichem Tonfall):
„Und Sie gehen jetzt in Ihr Behandlungszimmer und warten auf die Patienten. Ich schick sie Ihnen dann rein!“

Dr. Sorgenreich (sichtlich erschrocken):
„Halt! Bloß nicht alle reinschicken. Hören Sie..“

Dr. Sorgenreich (hinter vorgehaltener Hand flüsternd):
„Um Gottes Willen, nicht ALLE reinschicken! Die Kassenpatienten ins Wartezimmer setzen und NICHT zu mir! Haben Sie gehört? NICHT zu mir.“

Dr. Sorgenreich (wieder fröhlicher werdend):
“ Die Privaten können Sie dann zu mir hereinschicken!“

Beschwingt betritt Dr. Sorgenreich sein Behandlungszimmer.

 

Im Behandlungszimmer:
Eine Uhr zeigt an, wie die Zeit vergeht. Die Zeiger drehen sich etwa eine halbe Stunde weiter. Nichts geschieht. Kein Patient erscheint. Dr. Sorgenreich sitzt in seinem Sessel hinterm Schreibtisch und hat die Beine auf den Schreibtisch gelegt. Er nickt ein.

Währenddessen in der Anmeldung:
Es klingelt an der Tür und Patientin 2 drückt auf. Eine junge Frau erscheint.

Patientin 2 (in recht unfreundlichem Befehlston):
„Welche Kasse?“

Junge Frau (etwas stutzig):
„OEK – Ollenhausener Ersatzkrankenkasse“

Patientin 2 (zum Wartezimmer zeigend):
„Dort hinein. Wir rufen Sie gleich auf.“

Derzeit im Behandlungszimmer:
Die Zeiger der Uhr rücken  abermals ein Stückchen weiter. Als Dr. Sorgenreich wieder erwacht, ist etwa eine Stunde vergangen.
Etwas irritiert betritt er den Raum, in dem sich die Anmeldung befindet.

Patientin 2 sitzt hinter der Theke an der Anmeldung und feilt ihre  Nägel.
Sie niest, greift nach einem Taschentuch und schnaubt sich die Nase.
Patientin 3 wischt gerade den Boden rund um die Anmeldung und aus der Toilette hört man Geräusche, die zeigen, dass Patient 1 immer noch mit der Reparatur der Toilettenspülung beschäftigt ist.

Dr. Sorgenreich (etwas verwirrt und ungeduldig):
„Ja, was ist denn los? Wo bleiben die Patienten?“

Patientin 2 (gelangweilt und wie abwesend wirkend):
„Alle Kassenpatienten, bis auf einen, sind schon wieder gegangen. Sie wollten nicht mehr so lange warten.“

Die Tür zum Wartezimmer öffnet sich und heraus schaut die junge Frau.

Junge Frau:
„Wann kann ich den Doktor denn endlich sprechen?“

Sie kommt um die Anmeldung herum und mustert Patientin 2.

Junge Frau:
„Wie ich sehe, ist der Job ja auch schon besetzt. Ich geh’ dann mal wieder. Ciao“

Dr. Sorgenreich (ein wenig überrumpelt):
„Halt! Moment. So bleiben Sie doch!“

Die junge Frau verabschiedet sich und verlässt die Praxis.

Dr. Sorgenreich starrt ihr nach.

Dr. Sorgenreich (mit den Tränen kämpfend, mit weinerlicher Stimme):
“Wie soll es jetzt weitergehen? Die Privatpatienten kommen nicht mehr und die Kassenpatienten fressen mich auf. Die Helferinnen sind zu teuer und die Aushilfen....

Patientin 2 fällt ihm ins Wort...

Patientin 2 (triumphierend):

„Herr Doktor! Ich weiß gar nicht, was Sie wollen. ICH bin privat versichert.“

Patient 1 erscheint, etwas erschöpft, aber gut gelaunt und  mit der Klobürste in der Hand, aus der Toilette kommend.

Patientin 3 (von ihrer Putzarbeit aufblickend in fröhlichem Tonfall):
„Ich bin auch privat versichert!“

Patient 1(die Klobürste in der Hand haltend, nickend):
„Ja, Ich auch! Privat versichert!“

Dr. Sorgenreich steht wie erstarrt und mit offenem Mund da.
Patientin 2 schaut auf die Uhr.

Patientin 2:
„So, ich muss dann mal.“

Patientin 3 stellt den Putzeimer hin.

Patientin 3:

„Ja ich auch!“

Nacheinander verlassen Patientin 2, Patientin 3 und Patient 1 die Praxis.

Dr. Sorgenreich (heulend):
„Nein, bitte, bleiben sie doch! Nicht weg gehen. Sie sind doch krank. Das können Sie mir doch nicht antun! Warum immer wir? Wir armen Ärzte!“

Nach ein paar Sekunden erscheint Patient 1 an der Tür. Dr. Sorgenreich blickt ihn erwartungsfroh an. Doch dieser überreicht ihm lediglich die Klobürste und geht wieder.

Dr. Sorgenreich steht mit offenem Mund da und schaut entgeistert auf die
Klobürste in seiner Hand.

 

Ende

 

 

 

 

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